Dienstag, 10. Oktober 2017 00:00
Ein gutes Assessment-Center oder eine gute Potenzialanalyse zeichnet sich durch zweierlei aus. Zunächst einmal hilft das Verfahren aus Gruppendiskussion, Rollenspielen, Präsentationen, Fallbeispielen, Testverfahren und Interviews im Mehraugenprinzip ein möglichst objektives Ergebnis zu erzielen. Daneben erlaubt es aber auch dem Nasenfaktor zur Geltung zu kommen. Am Ende eines erfolgreichen Assessments spricht immer auch der Bauch. Vorausgesetzt er hat es gelernt. So genannte "Somatische Marker" sind manchmal genauso schwer zu erkennen wie High Potentials.
Der Neurowissenschaftler António R. Damásio hat auf die Bedeutung des Bauchgefühls für gute Entscheidungen hingewiesen. Er spricht von Somatischen Markern. Gemeint sind Körpersignale, die auf einer vorsymbolischen, unbewussten Ebene Informationen liefern. Ein umfassendes Assessment Center und eine langfristig erfolgreiche Personalauswahl sollten diese Informationen in jedem Fall nutzen. Damit der Bauch spricht und auch verstanden wird, gilt es seine Sprache zu lernen. Und so werden Sie zum Bauchredner.
Zunächst geht es darum, die oft subtilen Signale in sich selbst wahrzunehmen. Insbesondere Führungskräfte oder Menschen, die Zahlen, Daten, Fakten lieben, tun sich damit manchmal schwer. Im ersten Schritt entwickeln sie also eine Sensibilität für das Bauchgefühl. Eine Methode besteht darin, dass man ihnen eine Reihe von Fotos von Gegenständen, Menschen, Landschaften etc. vorlegt und sie „rein nach Gefühl“ entscheiden, was ihnen gefällt oder nicht. Solche Signale Pro oder Contra können je nach Individuum sehr unterschiedlich sein. Sie können aus Körpergefühlen wie dem Kloß im Hals, weichen Knien oder einem Druck im Magen bestehen. Möglich sind aber auch Emotionen wie plötzlich aufkeimender Ärger oder Freude. Bei manchem Menschen zeigt sich der Marker als ein spontanes Lächeln oder eine plötzliche Helle im Kopf.
Ein wichtiger zweiter Schritt besteht darin, irritierende Marker zu hinterfragen und so auch eigene Grenzen und Befangenheiten zu bemerken. Wieso lösen bestimmte Typen eine so extrem positive oder negative Reaktion aus. Die Beobachter beobachten sich in der Schulung also selbst und entdecken eventuell die eigenen Grenzen für ein objektives Urteil. Bauch und Kopf, Nasenfaktor und Assessment-Center-Profil können auf Grundlage dieser Selbstreflexion besser in Einklang gebracht werden.
Auf diese Art und Weise geschulte Beobachter, werden in einem professionellen Assessment-Center in zwei Richtungen schauen. Nach außen auf die beobachtbaren Leistungen der Kandidaten und nach Innen auf die persönliche Reaktion. Sie werden zu messbaren, vergleichbaren Einschätzungen kommen und diese mit ihrer persönlichen Wahrnehmung hinterfragen, um beides abschließend im Beobachterteam zur Diskussion zu stellen.
Ganz konkret könnte das bedeuten, dass einerseits Einschätzungen in den festgelegten Verhaltensankern erfolgen und andererseits bei jeder Übung eine somatische Zusatzeinschätzung erfolgt. Unmöglich, dass ein Kandidat, der in der Gruppendiskussion viele Beiträge liefert, Ideen zusammenführt und hervorragend moderiert, trotzdem ein befremdliches unangenehmes Gefühl zurücklässt? Es ist besser sich im Assessment-Center zu wundern, als nach vier Monaten Probezeit.
Sinn und Zweck einer abschließenden Beobachterkonferenz ist ja auch dies. Die vermeintlich objektiven Einschätzungen werden zu einem Gesamtergebnis zusammengeführt, das sich in einem Diagramm wie dem Folgenden darstellen lässt. Enthalten sind dabei die Übungsergebnisse der Kandidaten und der Nasenfaktor.
Dabei bietet die Übersicht noch einmal die Chance neue somatische Marker zu wecken. Vielleicht zeigt sich an der einen oder anderen Stelle ja eine Extra-Überraschung, wenn man erkennt das hoch bewertete Teilnehmer ein schlechtes Gesamt-Bauchgefühl hervorrufen oder umgekehrt.
Auch an dieser Stelle gilt natürlich, dass ein sinnvolles Assessment-Center sich nach der Validität der Ergebnisse bemisst. Es soll Talente identifizieren und Blender entlarven. Valide, reliabel, objektiv. Letzteres bedeutet bei der moderne Personalauswahl paradoxerweise eben auch, unter Einbeziehung reflektierter Subjektivität. Das Unbewusste entscheidet sowieso immer mit. Mit Hilfe der somatischen Marker lässt sich ein zielführender Dialog zwischen bewussten und unbewussten Informationssystemen zum Wohle des Ganzen, des Unternehmens und der Mitarbeiter, herstellen.
Diese neue ganzheitliche Personalauswahl mit Kopf und Bauch verlangt nach einer neuen Generation von Assessement-Centern und Potenzialanalysen. Weg von der reinen Faktengläubigkeit, frei von Willkür und auf Basis von Big Bauch Data. Also, überlegen Sie, achten sie auf ihr Bauchgefühl und markieren Sie Personalentwicklung3000 dafür. Positiv natürlich.
©2010 Personalentwicklung 3000 Thomas Lang, Berlin