Jour Fix und Foxi

Samstag, 18. April 2020 11:47

Arbeit im Home-Office bedeutet zwangsläufig mehr Zeit mit der Familie. Was zunächst wie ein Geschenk wirkt, birgt auch Konfliktpotential. Immerhin handelt es sich um einen veritablen Change-Prozeß, der nicht nur in Unternehmen mit Stress verbunden ist. Das Oberhaupt der Familie ist angehalten, gesund zu führen. Da in modernen Familien heutzutage das Prinzip der Doppelspitze gilt und auch die Kinder und weitere Generationen im Haushalt ein Recht auf Partizipation haben, ist es Zeit für einen Jour fix im Familienunternehmen oder wie Thomas Gordon sagen würde: Die Familienkonferenz.

Kern der Idee des Friedensforschers ist es, im Kreis der Familie regelmäßig zusammenzukommen, um gleichberechtigt Probleme zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. All das geschieht auf Basis eines humanistischen Ansatzes der Wertschätzung. Jeder trägt für sich selbst Verantwortung, doch er darf von den anderen Konferenzteilnehmern Empathie, Echtheit und eben Wertschätzung erwarten.

Vor diesem Hintergrund trifft sich die Familie einmal die Woche, beispielsweise zum gemeinsamen Frühstück. Die Dauer der Konferenz hängt auch mit der Aufnahmekapazität der Mitglieder zusammen. Selbstverständlich hat ein Vierjähriger andere Bedürfnisse als eine erwachsene Mutter und Managerin. Das „schwächste“ Glied in der Kette bestimmt den Rahmen. Gerade bei sehr kleinen Kindern ist es sinnvoll die halbe Stunde nicht zu überschreiten.

Wie bei allen Meetings ist der Anfang sehr wichtig. Zunächst versucht man über das zu sprechen, was in der letzten Woche gut gelaufen ist. Jeder hat das Recht, seine persönliche Sichtweise einzubringen. Jeder Beitrag wird anerkannt und gewürdigt. Gerade dieser Einstieg mit dem Angenehmen kann dazu beitragen, der weiteren Arbeit einen positiven Drive zu vermitteln. Dieser Impuls sollte weder in Familien noch in Unternehmen unterschätzt werden. Zu häufig stehen Probleme im Vordergrund, obgleich es sehr viel Schönes und Gutes gibt, über das man sich freuen kann und auf das man stolz sein darf.

Wichtig ist auch, daß tatsächlich jeder zu Wort kommt. Sprache ist ein Instrument der Dominanz. In geschäftlichen Meetings dominieren oft die rhetorisch Begabten. Dieses Ungleichgewicht in der Partizipation kann Fehlentscheidungen und Konflikte im Team und in der Familie hervorrufen. Nur weil jemand gut redet, kann er nicht automatisch gut Probleme lösen. Quantität und Qualität stehen oft im Mißverhältnis. Am besten man kontrolliert die Redezeit und benennt dafür einen Zeitwächter. Ein Familienmitglied, das darauf achtet, daß eine bestimmte Redezeit nicht überschritten wird.

Nach dem positiven Einstieg werden Fragen, Probleme und Veränderungswüsche gesammelt. Es mag einfach klingen, in der Praxis zeigt sich, daß gerade das vorurteilfreie Zuhören eine Herausforderung ist. Menschen verfügen über unterschiedliche Sichtweisen und es fällt manchem schwer, konträre Meinungen ohne Widerspruch hinzunehmen. Im Laufe der Zeit und mit jeder Konferenz wird man darin geübter. Jede Familienkonferenz ist wie jedes andere Meeting auch eine Übung in Geduld, bei dem es darum geht, sowohl eine gemeinsame Richtung als auch eine gemeinsame Geschwindigkeit zu finden.  

Auf Basis dieser akzeptierenden Grundhaltung sucht die Familie nach Lösungen. Wenn eine konstruktive Grundstimmung herrscht und jeder gehört wird, kann dies eine unterhaltsame und sehr fruchtbare Phase sein. Es ist erstaunlich, wie kreativ Menschen sind, wenn sie keine Angst vor Fehlern oder verletzender Kritik haben. Kreativität und Innovation entwickeln sich, wenn man dem inneren Kind Freiheiten erlaubt. Ein gewisses Maß an Chaos ist unabdingbar, wenn man alte Muster aufbrechen und etwas Neues schaffen will.

In jedem Meeting sollte es auch einmal hoch hergehen. Es darf gescherzt werden. Man fällt sich ins Wort oder verschüttet auch einmal etwas Kaffee. All das sind Zeichen dafür, daß das Meeting lebt. In der Familienkonferenz darf beim Brainstorming auch ein Kissen fliegen.

Thomas Gordon gibt für seine Familienkonferenzen eine Struktur und Regeln vor. Dazu zählt auch, daß Vorsitz oder Moderation wechseln. Die Jüngsten in der Familie brauchen dabei vielleicht etwas Unterstützung. Auch hier gilt, daß die Form nicht perfekt sein muß, um nützliche Inhalte zu gewinnen. Es ist eher das Abweichen von der Norm, das das gemeinsame Wachsen befördert.

Entscheidungen sollten möglichst einstimmig getroffen werden. Vielleicht dauert die Diskussion deshalb etwas länger. Die hier investierte Zeit wird später bei der Umsetzung der Ideen wieder eingeholt. Unter großem Zeitdruck darf man auch eine Mehrheitsentscheidung treffen. Damit an dieser Stelle niemand aussteigt, sollte man möglichst alle Meinungen und Ideen in die Lösung integrieren und dies auch deutlich machen. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die hier den großen Commitment-Unterschied machen. Wenn Henry sich wünscht, einmal die Woche beim Abendessen auf Mamas Schoß zu sitzen, so sollte das organisierbar sein. Ein Tag Home-Office pro Woche und Mitarbeiter kann einen Versuch wert sein. Das Ergebnis ist ohnehin stets ein Kompromiß, von dem aber alle profitieren sollten.

Die Entscheidung der ganzen Familie ist für die ganze Familie bindend. Bis zur nächsten Konferenz sollte man durchhalten und die Vereinbarungen umsetzen. Kinder wie Erwachsene können in dieser Zeit an ihrer Selbstdisziplin arbeiten. Erfolgreiche Selbstkontrolle fördert das Selbstvertrauen und langfristig das Vertrauen ins Unternehmen und ins Team.

Damit das Meeting gelingt, kann es sinnvoll sein, nach einer Testphase eine Meta-Konferenz abzuhalten, ein Treffen, bei dem man gemeinsam überlegt, was bei den Meetings gut lief und was man noch verbessern kann. Auf diese Weise verhindert man, daß ein Familienmitglied nur die Zeit absitzt.

 

Unternehmen sind in vielen Aspekten wie eine Familie. Manchmal ziehen dunkle Wolken auf. Es kommt vor, daß man sich fragt, ob man nicht versehentlich adoptiert wurde. Im Frust beneidet man die Singles und Freiberufler dieser Welt. Gleichzeitig brauchen alle Menschen Beziehungen und Kontakte. Deshalb muß jeder lernen, Konflikte konstruktiv zu lösen, ohne Beziehungen zu schädigen oder gar abzubrechen. Familienkonferenzen sind wie eine Schule des Konfliktmanagements. Im Home-Office und in der Firma.

Personalentwicklung3000 bietet Workshops für eine konstruktive Kommunikation in Teams. Wir schulen, um Konflikte zu lösen und wir spielen mit den inneren Kindern in Coachings, Trainings und Online-Workshops. Kissenschlachten nicht garantiert, aber möglich.

 

©2010 Personalentwicklung 3000 Thomas Lang, Berlin