Montag, 01. Oktober 2018 06:55
Befragungen zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz zeigen eines. Großraum-Büros sind die Herausforderung der Zukunft. Lost in Space, könnte man sagen. Menschen brauchen ihren persönlichen Raum.
Paul Watzlawick, Systemkritiker, erzählt die Geschichte vom persönlichen Raum, um für interkulturelle Unterschiede zu sensibilisieren. Auf einer Party kamen ein Italiener und ein Skandinavier ins Gespräch. Wie nicht selten verlief der Small-Talk etwas holprig. Bewegung war trotzdem im Spiel und in der Kommunikation, weil der Italiener persönliche Nähe suchte und ein ums andere Mal einen Schritt auf seinen Gesprächspartner zutat. Doch das brachte nicht die erhoffte Auflockerung. Im Gegenteil. Sobald der Italiener auf den Skandinavier zuging, weichte dieser einen Schritt zurück. Ihm war diese körperliche Nähe zu viel. Vielleicht lag es auch am Parfum des anderen. Er wollte das Gespräch UND seinen gewohnten Abstand. Da die beiden aus verschiedenen Kulturkreisen kamen, definierten sie den persönlichen Raum unterschiedlich. Der Italiener wollte Nähe. 30 Zentimeter waren mehr als genug Sicherheitsabstand. Der Skandinavier empfand das als übergriffig. Er wollte den anderen schließlich nicht küssen. Für ein Gespräch unter Fremden wären ihm mindestens 80 Zentimeter recht. Mit ihm tanzte keiner gleich Tango. Der Italiener ging nach vorne und das Nordlicht zurück. Am Ende kippte der Nordische kaltblütig über die Veranda und der Macho war höchst bewegt.
Abstand, Nähe und was Menschen brauchen, um sich wohl zu fühlen, erfährt durch ökonomische Zwänge und Großraumbüros neue Aufmerksamkeit. Auch hier ist der kulturelle Gedanke wichtig. Nicht selten sind es die Chefs, die angloamerikanisch geprägt sind, die das hiesige Bedürfnis nach mehr Platz und Ruhe nur schwer verstehen können. Es gibt nicht DIE richtige Bürogröße oder DIE richtige Zahl für die Belegung eines Büros. Vieles ist mit Gewohnheiten verbunden, denn das macht ja eine Kultur aus.
Hier findet man nicht die üblichen Tips für Großraumbüros, wie führen sie Teamregeln ein, minimieren sie private Gespräche, stellen sie Trennwände auf oder nutzen sie für Besprechungen extra Meetingräume. All das ist old school.
Ändern Sie ihre Gewohnheiten und die Kultur gleich mit. Hierfür lautet die wichtigste Regel: Nehmen Sie sich Zeit. Genauso wichitg: Nehmen Sie die richtigen Menschen mit.
In Organisationen verschwendet man viel Zeit, Menschen zu verändern, die das nicht wollen. Veränderung ist gut, doch irgendwann hat man auch genug davon. Wir leben in Zeiten permanenter Veränderung, die viele Menschen überfordert. Lernen und Veränderung erwachsen aus einem Urvertrauen. Wer sich verändern will, braucht paradoxer Weise einen sicheren Hafen, Stabilität, Dinge, die morgen so sein werden wie sie heute. Illusorisch? Wer es gewohnt ist, in Ruhe und abgeschottet von den Blicken der Kollegen zu arbeiten, wird sich kaum über Nacht umstellen können. Sinnvolle Personal- und Organisationsentwicklung bedenkt das mit. Im Anschluß verteilt sie die Last der Veränderung angemessen.
Junge Menschen voller beruflicher Aufbruchstimmung tolerieren das Großraumbüro besser als Erfahrende mit einer bereits langen Veränderungsgeschichte. Unterschiede können inspirieren, doch dafür sollte man sie auch respektieren.
Wenn es dringend erforderlich ist, daß Menschen trotz großer persönlicher Abneigung unter Bedingungen arbeiten, die sie eigentlich ablehnen, brauchen sie einen Ausgleich. Ein Sicherheitsnetz. Praktisch könnte das etwa bedeuten, daß diese Mitarbeiter nicht von Job-Rotation betroffen sind und von ihnen favorisierte Aufgaben behalten.
Die Antwort auf die Großraumbüro-Problematik bedeutet auf Personalentwicklungsebene zweierlei:
1. Finden Sie Menschen, die in einem bewegten Umfeld mit vielen unterschiedllichen Reizen aufblühen. Im Assessement-Center lassen sich entsprechende Situationen einfach simulieren, um die Stressresistenz der Kandidaten zu checken. Unterbrechen Sie sie bei der Arbeit, rücken Sie ihn auf die Pelle, testen Sie die Konzentrationsfähigkeit unter widrigen Bedingungen. Daneben kann ein Blick auf den kulturellen Hintergrund nützlich sein. Vielleicht haben Sie Glück und der Kandidat kennt ein quirliges Umwelt aus seiner Sozialisation. Was für den einen Stress bedeutet, ist für den anderen Leben pur. Wer am richtigen Platz ist, fühlt sich wohl und leistet mehr.
2. Wer aber Frust schiebt, braucht ein sicheres Umfeld mit klarer Aufgabenorganisation, bewährter Tätigkeit und Kernteam. Er strengt sich Tag für Tag an, wenn er das Großraum-Büro betritt. Mehr schadet der Gesundheit und der Leistung.
Watzlawicks Geschichte endet mit einem Unfall. Für Experten der Arbeitssicherheit ist das gar nicht lustig. Zum Glück kann man Vorkehrungen treffen wie diese hier.
Apropos lustig. Ein letzter Tip ist universell. Achten Sie auf die Chemie. Menschen, die mit einem Lächeln ins Büro gehen und sich trotz Belastung gegenseitig aufheitern, sind ein Schatz für jedes Team. Wenn die Stimmung im Büro stimmt, ist das einzige, was am Ende fällt, die Arbeit.. und zwar leichter.
Zufällig bietet P3000 Teambuildings-Kurse (die berühmte NASA-Übung für potentielle Großraumfahrer inklusive), die Spaß machen und neue Horizonte öffnen. Win-Win in Space.
©2010 Personalentwicklung 3000 Thomas Lang, Berlin