Ganz normale Gespräche mit psychisch kranken Mitarbeitern

Sonntag, 13. März 2022 19:14

Die Situation tritt in deutschen Unternehmen von Jahr zu Jahr häufiger auf. Mitarbeiter*innen sind plötzlich nicht mehr da. Der Flugfunk meldet, daß es „mit der Psyche“ zu tun hat. Nach vielen Monaten ist es dann soweit: „Ich bin dann mal weg“ ist Vergangenheit. Die große Frage, die sich für Kollegen*innen wie Führungskräfte stellt: Wie geht man mit den Rückkehrer*innen um, schließlich ist man ja kein Psychologe?

Die Antwort darauf ist einfach und paradox zugleich: Ganz normal. Die Wahrscheinlichkeit, daß jemand an einer psychischen Störung erkrankt, ist sehr hoch. Die Jahresprävalenz liegt über 30%, was bedeutet, daß jeder Dritte jedes Jahr Probleme mit der Psyche hat. Am häufigsten sind Angsterkrankungen, gefolgt vom Suchtproblemen und der unipolaren Depression. Angst, Sucht und Depression sind Themen, die früher oder später fast jeden betreffen können als Kollege, Freund oder Familienangehöriger. Es macht Sinn, sich Gedanken zu machen, wie man damit umgeht.

Eine psychotherapeutische Technik, die auch dem Laien helfen kann, nennt sich „Validieren“. Übersetzen kann man diese Vorgehensweise mit „Anerkennen“. Gemeint ist konkret das Gegenteil von Stigmatisierung. Wenn es statistisch gesehen normal ist, daß Menschen „verrückt“ werden, sollte man auch nicht so tun, als wäre dies ein Grund für eine Sonderbehandlung. Hilfreich ist es vielmehr, den Rückkehrern zu signalisieren, daß sie dazu gehören und daß man die gleichen Erwartungen an sie hat, wie an jedes andere Teammitglied.

Angenommen ein Bekannter von ihnen ist auf der Treppe gestolpert und hat sich ein Bein gebrochen. Nach ein paar Monaten ist wieder alles ausgeheilt und er bewegt sich ohne Krücken. Würden sie ihn jedesmal begleiten, wenn er eine Treppe hinauf oder hinunter geht? Abgesehen davon, daß Menschen, von denen man erwartet, daß sie stürzen, häufiger fallen, kostet es viel Energie und Aufmerksamkeit kein Vertrauen in andere zu haben.

So normal wie Stress, Burnout oder zwanghafte Arbeitssucht sind, sollte es auch sein, Menschen, die mit professioneller Hilfe gereift sind,  wieder als vollwertige Teammitglieder willkommen zu heißen. Respekt ist normal. Niemand fällt ohne Grund Monate aus. Eine schwere Krankheit wurde bewältigt. Respekt heißt auch, die Qualifikation des Menschen anzuerkennen und ihm die Chance zu geben, sein Leistungspotenzial zu nutzen.

Normalisieren bedeutet weiter, daß man sich dem Kollegen öffnet und von eigenen Krisen erzählt. Burnout ist bekanntlich die Krankheit der Sieger, weil sie oft Menschen trifft, die hohe Ansprüche an sich stellen. Es gibt immer mehr Sieger in der Gesellschaft, die zu ihren Krisen stehen. Kollegen und Führungskräfte, die auf die Rückkehrer zugehen und in vertraulichen Gesprächen davon sprechen, wie sie selbst schon an ihre Grenzen gestoßen sind, schaffen ein Gefühl der Akzeptanz und Offenheit. Sie steigern die Chancen einer erfolgreichen Rückkehr, weil man nicht ständig so tun muß, als wäre alles sofort wieder 100%ig in Ordnung. Das ist es vermutlich nicht. Auch nach einem Beinbruch lernt man Schritt für Schritt wieder laufen und eine anfängliche Vorsicht ist ganz normal.

Die Arbeit und die Kollegen sind ein Teil der Regeneration. Wenn Betroffene sich wieder als vollwertige Mitglieder des Teams erleben und ihr Selbstvertrauen mit Hilfe von sozialer Anerkennung stabilisieren, sind sie schneller wieder 100% da. Win-Win ist die neue Normalität.

Im Seminar „Psychisch krank – na und?!“ lernen Führungskräfte und Teammitglieder, welche Störungsbilder es gibt, wie sie entstehen und was man in einem beruflichen Umfeld dazu beitragen kann, psychische Gesundheit und ein nachhaltig leistungsfähiges Team zu sichern.

Der Seminarplan beinhaltet:

1.       Überblick psychischer Krankheiten

2.       Test: Die eigene Vulnerabilität für psychische Belastung

3.       Signale Psychischer Erkrankungen erkennen

4.       Grundlagen der Gesprächsführung mit psychisch erkrankten Mitarbeitern

5.       Fürsorgegespräche vor und nach der Therapie führen

6.       Prävention individuell, im Team und in der Organisation

7.       Psychohygiene für Arbeit und Freizeit

Personalentwicklung3000 ist ein bißchen „verrückt“, weil wir von der Norm abweichen. Und zwar auf eine für die Gesundheit im Unternehmen sehr förderliche Art und Weise.

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