Sonntag, 22. Juni 2008 12:00
Wenn Sie sich einen Blick auf aktuelle Stellenausschreibungen erlauben, werden Sie feststellen, dass es ein obskures Merkmal gibt, dass die Personalleiter an möglichen neuen Mitarbeitern besonders schätzen: Erfahrung. Tatsächlich ist der Nutzen von Erfahrung in verschiedenen Bereichen höchst fraglich. Die meisten Anzeichen und der gesunde Menschenverstand deuten sogar an, dass Erfahrung für den beruflichen Erfolg auf Dauer schädlich sein kann.
Mir gefällt eine Anekdote, die von Karl Popper berichtet wird, in diesem Zusammenhang besonders gut. Angeblich saß Popper, der theoretische Begründer der modernen Wissenschaft, und der Tiefenpsychologe Alfred Adler einst in einem Wiener Caféhaus. Der etwas ältere Adler diagnostizierte wild darauf los die Besucher des Restaurants. Er sah diesem und jenen quasi an der Nasenspitze an, welche Neurose oder Persönlichkeit er mit sich herumschleppte. Karl Popper, von Hause aus Skeptiker, folgte den Ausführungen des Analytikers interessiert. „Woher wissen Sie, dass dieser Mann unter einem Zwang leidet?“, soll er forsch gefragt haben. Adler stutzte, sah den frechen Jüngling scharf an und meinte: „Junger Freund, das sagt mir meine tausendfache Erfahrung!“. Popper nickte darauf hin wissend und erwiderte kurz: „Dann handelt es sich wohl nun um eine tausendeinfache Erfahrung!“.
Tatsächlich wird Erfahrung auch im beruflichen Kontext immer wieder überschätzt. Man meint, dass jemand, der eine Aufgabe einmal gelöst hat, bei einer ähnlichen Herausforderung schneller und effektiver agieren würde. Das kann stimmen, muss es aber nicht. Erfahrung führt auch zu einer Wahrnehmungsverengung. Die Kreativität wird lahm gelegt. Man sieht, was man kennt, doch was ist, wenn die Situation nicht miteinander zu vergleichen sind und nun scheinbar Ähnlichkeiten aufweisen. Was ist wenn die Umstände sich ändern?
Der Wert der Erfahrung unterliegt ständigen Veränderungen. Im Grunde ist ihr Wert so beständig wie die Mode. Was gestern noch als schick und passend galt, passt vielleicht schon heute nicht mehr ins Schema. Man schaut zurück und will alles richtig machen, tatsächlich begeht man einen großen Fehler.
In der heutigen Zeit auch nicht vernachlässigt werden darf die Tatsache, dass es Zeit kostet Erfahrung anzusammeln. Unsere Welt verändert sich aber immer rasanter. Bis ein Kandidat die erforderliche Erfahrung gesammelt hat, die allenthalben gefordert wird, ist er alt und grau, hat seine Illusionen verloren, sucht keine Herausforderung mehr, sondern nur noch ein bequemes Einkommen.
Wussten Sie, dass gerade in der zwischenmenschlichen Beratung Erfahrung häufig nicht die besten Ergebnisse zeitigt? Junge Therapeuten sind effektiver als alte Hasen. Sie sind motivierter, glauben noch an Veränderung und verfügen über das neueste Fachwissen.
Apropos Beratung. Die großen Beratungsunternehmen ködern ihre Kunden gerne mit dem Hinweis auf Jahrzehnte lange Erfahrung in einem Bereich, sagen wir beispielsweise Potenzialanalysen oder Coaching. Was der Kunde nicht weiß, ist, dass die teueren Beratungen von Studenten vorbereitet und teilweise auch unter falschem Label durchgeführt werden. Die Erfahrung ist eine Illusion, für die Unternehmen viel zu oft teueres Geld bezahlen.
Die Lösung sieht folgendermaßen aus. Hören Sie auf ständig nach Referenzerfahrungen zu fragen. Machen Sie sich klar, dass Sie die Zukunft nicht beeinflussen können, indem Sie krampfhaft versuchen, aus der Vergangenheit Sicherheit zu ziehen. Vertrauen Sie stattdessen auf die Leidenschaft, den Einsatzwillen und die Kreativität der Jungen. Ganz klar: Bewerten Sie das Ergebnis im Hier und Jetzt und nicht, was einmal war.
Übrigens mit „jung“ meine ich nicht das Alter eines Menschen. Jung ist, wer genau das leistet. Er bietet ihnen exzellentes Fachwissen, ein unverfälschtes Engagement und ehrliches Interesse an Ihnen als Kunde und der Aufgabe, die Sie stellen.
Noch Fragen oder gleich Lust auf eine neue schöne Erfahrung?
Nehmen Sie gerne Kontakt auf!
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