Tatort Bewerbungsgespräch

Montag, 01. Februar 2010 18:22


Im März startet der Fernsehsender Vox eine Serie, die auch für viele Menschen in der Personalarbeit spannend sein könnte, von all den Hobbykriminalisten, die wöchentlich CIS (criminal investigative service) -Serien  verschlingen, ganz abgesehen. Bei „Lie to me“ geht es um die Kunst, Menschen beim Lügen zu ertappen. Der weltberühmte Emotions-und Wahrnehmungsforscher Paul Ekman selbst fungierte dabei als wissenschaftlicher Berater der psychologischen Spurensicherung.

So lange es Menschen gibt, gibt es die Unwahrheit und den Versuch, ihr auf die Schliche zu kommen. Wer Personalauswahl betreibt kommt nicht umhin, ein „Gespür“ dafür zu entwickeln, ob und inwieweit er den Aussagen der Kandidaten trauen darf. Umgekehrt liegt es natürlich im ureigenen Interesse eines Bewerbers, das eine oder andere, das ihn in nicht so günstigem Licht erscheinen lässt, zu verschweigen. Worauf ist nun aber wirklich Verlass, wenn es darum geht, Lüge und Wahrheit voneinander zu unterscheiden? In drei Bereichen gilt es, besondere Aufmerksamkeit zu entwickeln.

Emotionen. Vielen Menschen fällt das Lügen nicht leicht. Es bedarf einer gewissen Überwindung und Kontrolle. Unglücklicherweise sind Emotionen häufig schneller als die Kontrollmechanismen. Der Mensch fühlt, bevor er denkt, fast automatisch. Der spontane Ausdruck der Emotion nun kann verräterisch sein. Stellen Sie sich vor, jemand fragt Sie, wie sie das Gericht fanden, das man für Sie zubereitet hat, und obgleich es nicht ganz nach ihrem Geschmack war (um es vorsichtig auszudrücken), wollen sie den Gastgeber nicht brüskieren. Sie antworten dann vielleicht: „Oh, ganz nett, es hat mir gut geschmeckt.“ Das entspricht nicht ganz ihrem Gefühl. Was passiert also? Noch ehe sich ihr Verstand zu der höflichen Ausrede bequemt, huscht ein Signal, eine so genannte Mikroexpression über ihr Gesicht. Sie dauert nur wenige Millisekunden und ist vom Gegenüber nicht bewusst wahrzunehmen, doch ignoriert werden kann sie auch nur schwer. Der andere merkt, dass etwas an Ihrem Lob nicht stimmt. Er hat unbewusst gesehen, wie der blitzschnelle Ausdruck ihrer Emotionen, seine Kochleistung disqualifiziert hat.

Menschen können Mikroexpressionen kaum kontrollieren. Wenn überhaupt, dann ist intensives Training über einen längeren Zeitraum erfolgreich. Etwas einfacher ist es da schon, sich im Erkennen von Mikroexpressionen zu üben. Man kann lernen auf Hinweisreize zu achten, die die Emotionen, die unterdrückt werden sollen, verraten. Jeder Personalleiter, jeder Mensch, dem es am Herzen liegt, wirklich zu wissen, was der andere denkt, kann seine „Intuition“ so schulen und auf eine wissenschaftliche Basis stellen.

Wer lügt, ist nicht entspannt. Die Unwahrheit verlangt ein hohes Maß an kognitiver Verarbeitungskapazität, anders formuliert: Wer lügt, muss an vieles gleichzeitig denken und das kostet Energie. Woran kann man erkennen, ob jemand viel nachdenkt? An den Augenlidern. Es existiert eine Korrelation zwischen Blinzelrate und Verarbeitungskapazität. Aber Vorsicht ist vor überschnellen Interpretationen ratsam, denn auch Nervosität, die andere Gründe als die Lüge haben kann, führt zu vermehrtem Blinzeln. Misstrauisch werden darf man aber schon, wenn jemand zunächst ganz entspannt wirkt, Ihnen auf eine heikle Frage hin, aber plötzlich nicht mehr in die Augen schauen kann.

Neben all den formalen Hinweisreizen auf Unwahrheiten, kann auch eine Analyse der Inhalte Aufschluss geben. Der Professor für Sozialpsychologie Aldert Vrij hat Zeugenaussagen auf inhaltliche Merkmale der Wahrheit hin untersucht. An dieser Stelle greife ich nur drei heraus (wer mehr möchte, kann dies in dem  Buch von Aldert Vrij „Detecting lies and deceit“ nachlesen):

1. Details. Wer lügt, erzählt meist sehr abstrakt. Fragen Sie also genau nach. Wer war beteiligt? Wie sah es genau aus? Wie lange exakt hat es gedauert? Usw.

2. Ich-Aussagen. Wer etwas erlebt hat, setzt sich in der Regel als Beobachter oder Handelnder in den Mittelpunkt der Geschichte. Wer lügt, spricht gerne von „man“ und anderen Akteuren.

3. „Um ganz offen zu sein…“, „Um die Wahrheit zu sagen…“, „Ich sage jetzt, wie es wirklich war…“. Solche Hinweise verwenden bevorzugt Personen, die genau das Gegenteil machen. Wer die Wahrheit sagt, sagt die Wahrheit. Wer aber sagt, dass er die Wahrheit sagt, wer es also nötig hat, dies zu betonen, spricht nicht selten die Unwahrheit.

Bei all dem Bemühen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen und Scharlatane zu entlarven, sollte man eines sehr wohl bedenken. Der Anthropologe und Lügenspezialist Prof. Dr. Volker Sommer fand einst die Formulierung: „Die Lüge ist eine Form der Liebe.“ Ausführlich referiert er, wie nicht nur der Mensch dazu neigt, seine Artgenossen zu täuschen. Auch im Tierreich findet man überall Lug und Trug. So simuliert der beispielsweise der Hahn, er hätte Futterkörner entdeckt, um die Henne anzulocken und sich mir ihr zu vergnügen. Der Pfau schlägt sein Rad, um vieläugige Macht und Stärke zu vorzutäuschen. Auf diese Art und Weise nehmen das Leben und die Liebe ihren Lauf. Die Lüge führt zur Liebe.

Und zu guter letzt, möchte ich auch noch die berühmte Philosophie des „als ob“ erwähnen. In dem berühmten Musical „Der Zauberer von Oz“ begeben sich Vogelscheuche, Blechmann und Löwe auf eine abenteuerliche Reise zum großen Zauberer, der ihnen das geben soll, was sie so schmerzlich vermissen: Verstand, ein Herz und Mut. Der Zauberer ist ein genialer Scharlatan. Zaubern kann er nicht, aber er weiß sehr wohl, dass der Grad zwischen Lüge und Wahrheit sehr schmal ist und wie viel vom subjektiven Empfinden abhängt. Außerdem scheint er geübt im symbolischen Interaktionismus, einer psychologischen Theorie, die im Kern besagt, dass die Art und Weise wie andere auf uns reagieren, unser Selbstbild bestimmt. Der falsche Zauberer schenkt den Suchern Symbole, die in der Gesellschaft mithin als Hinweisreiz auf etwas anderes gelten. Ein Diplom bedeutet Verstand. Ein Uhr in Herzform ersetzt das Herz. Und ein Orden signalisiert Tapferkeit. Entsprechend ausgezeichnet und für den Rest der Menschheit zu erkennen, beginnen Sie an die Wahrheit zu glauben, die sie lange zuvor schon gelebt haben. Jetzt sind sie wirklich, was sie sein wollen, weil sie es in den Augen der anderen scheinbar wirklich, so „als ob“ sind. Ein kleiner Coaching-Tipp am Rande: Hören Sie auf, so zu tun, als ob Sie etwas nicht können. Tun Sie so, als ob Sie können.

Lüge und Wahrheit sind tatsächlich schwer zu bestimmen. Insbesondere bei zwischenmenschlichen Interaktionen und deren Interpretation gibt es meist mehr als eine. Wenn Sie demnächst eine Lüge oder eine Wahrheit entdecken, sagt das vielleicht mehr über Sie als das Gegenüber aus.

 

Mehr Verwirrung und verblüffende Lösungen gibt’s in den Coachings und den Trainings für Personaler und Amateurkriminalisten hier.

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